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Ab 1. Januar 2023 regelt das revidierte Aktienrecht die Bestimmungen zum Kapitalverlust und zur Überschuldung neu. Die Anforderungen an den Verwaltungsrat einer AG sowie die Gesellschafter einer GmbH werden strenger.
In vielen Firmengeschichten gibt es Perioden, in denen Verluste zu verzeichnen sind:
Im neuen Aktienrecht sollen die Gläubiger in solchen Situationen besser geschützt werden. Der Liquidität eines Unternehmens wird mit dem revidierten Aktienrecht künftig mehr Beachtung geschenkt.
Nach geltendem Recht hat der Verwaltungsrat erst bei einem Kapitalverlust eine konkrete Handlungspflicht.
Das neue Recht verpflichtet ihn explizit, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft aktiv zu überwachen. Droht eine Zahlungsunfähigkeit, muss der Verwaltungsrat Massnahmen treffen, um die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen.
Wenn erforderlich, muss er weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft treffen. Diese Massnahmen muss er ausserdem bei der Generalversammlung beantragen, wenn sie in deren Zuständigkeit fallen (z.B. Kapitalerhöhungen, Zuschüsse). Im Gesetz wird neu ausdrücklich auf das Mittel der Nachlassstundung hingewiesen, für die der Verwaltungsrat das entsprechende Gesuch einreichen muss – und zwar «mit der gebotenen Eile», wie es im Gesetzestext heisst.
Das neue Aktienrecht definiert auch explizit, wann bei einem Kapitalverlust eine Unterdeckung vorliegt: wenn in der letzten Jahresrechnung die Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten die Hälfte der Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre zurückzahlbarer gesetzlicher Kapitalreserve und gesetzlicher Gewinnreserve nicht mehr decken (sogenannter «hälftiger Kapitalverlust»).
Diese Berechnung ist relativ anspruchsvoll. Idealerweise holt man sich in diesem Punkt fachliche Unterstützung von seinem Treuhänder. Liegt eine Unterdeckung vor, muss die Jahresrechnung nach neuem Recht vor der Genehmigung durch die Generalversammlung eingeschränkt geprüft werden – durch die Revisionsstelle oder, wenn eine solche nicht existiert (z.B. bei Unternehmen im Opting-out), durch einen zugelassenen Revisor. Wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung einreicht, entfällt die Revisionspflicht.
Von einer Überschuldung spricht man dann, wenn die Verbindlichkeiten nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind.
Besteht begründete Besorgnis, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, so erstellt der Verwaltungsrat unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und Veräusserungswerten. In diesem Zusammenhang gelten Erleichterungen für die Praxis, z.B. kann auf den Zwischenabschluss zu Fortführungswerten verzichtet werden, wenn die Annahme der Fortführung nicht besteht.
Falls die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit positiv ausfällt, ist die Erstellung eines Zwischenabschlusses zu Veräusserungswerten nicht mehr zwingend.
Die Zwischenabschlüsse müssen durch die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, durch einen zugelassenen Revisor geprüft werden. Der zugelassene Revisor muss vom Verwaltungsrat ernannt werden.
Im Fall einer Überschuldung muss der Verwaltungsrat wie bisher den Richter mit einer Überschuldungsanzeige informieren. Wie bisher können Rangrücktritte den Gang zum Richter verhindern. Neu kann die Richterbenachrichtigung unterbleiben, wenn die begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innerhalb von 90 Tagen nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse behoben werden kann und die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden.
Die im neuen Recht hinzugefügte Formulierung «mit der gebotenen Eile» verschärft die Haftung des Verwaltungsrats. Künftig besteht kein Raum mehr für Verzögerungen, allerdings muss ihm die benötigte Zeit für die Erarbeitung von Sanierungsmassnahmen und gegebenenfalls deren Vorlage zuhanden der Generalversammlung eingeräumt werden.
Verletzt der Verwaltungsrat diese gesetzliche Pflicht, kann er mit seinem persönlichen Vermögen für mögliche Schäden haftbar gemacht werden.